Helden der Rhetorik II – Franz Josef Strauß und Joschka Fischer
Helden der Rhetorik: Im zweiten Teil unserer kleinen Reihe werfen wir einen Blick auf Reden von Franz Josef Strauß und Joschka Fischer. Zwei große Rhetoriker – die zwar von ihren Standpunkten her kaum verschiedener hätten sein können, sich aber in ihrer Wortmacht sehr ähneln …
Helden der Rhetorik: Franz Josef Strauß
Wohl kaum ein Politiker in der Geschichte der Bundesrepublik war ein derart prägnanter Rhetor wie das politische Multitalent aus Bayern. Weil er sich niemals stimmlich wie sprachlich verbiegen ließ, ist Franz Josef Strauß einer unserer Helden der Rhetorik. Klartext sprach er – und er erzeugte jene Reibung, durch die Demokratie erst spannend wird.
Für den einen war er Protagonist, für den anderen Antagonist – doch musste jeder zugeben: Strauß hat eine Meinung. Zudem eine unbändige Lust an der politischen Debatte, die heutzutage in öffentlichen Diskursen kaum noch zu finden ist. Diese Streitlust, sein rhetorisches Aufblühen wird von seinen Manuskripten kaum wiedergegeben. Fehlt der O-Ton und die Körpersprache, wirken seine Sätze über weite Strecken distanziert-rational. Wie unten in seiner Rede zur Eröffnung der Jahrestagung der Fachgruppe Nuklearchemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker am 29. September 1986. Zudem erscheinen sie länger und verschachtelter als es rhetorische Grundregeln vorgeben. Man erkennt daran, wie sehr die rhetorische Wirkung vom Redner abhängig ist. Zur Höchstform lief Strauß immer dann auf, wenn er sein Manuskript beiseite legte – und aus dem Stegreif bild- und synonymreich wetterte, schimpfte und appellierte. Auf seiner blau-weißen Wolke wird er wohl derzeit wieder zetern: über das rhetorische Zaudern in deutschen Parlamenten …
Helden der Rhetorik: Joschka Fischer
Kommen wir zu unserem nächsten Helden der Rhetorik: zu Joschka Fischer. Während seines politischen Wirkens war er der charismatischste Redner, den die Grünen je in ihren Reihen hatten. Dass er von Realos vergöttert und von Fundis nicht gerade geliebt wurde, hängt nur teilweise mit seinen politischen Standpunkten zusammen. Sondern auch mit seiner eloquenten, teils bissigen, oft humorvollen Art zu reden, die ihm eventuell geneidet wurde: Nur wirklich gute Redner polarisieren. Das Geheimnis seines Erfolgs liegt unserer Meinung nach in seiner Art der Redevorbereitung. Im Gegensatz zu den meisten Berufspolitikern klammert sich Fischer nicht an formvollendete Volltextmanuskripte. Vielmehr begnügt er sich mit handschriftlichen Stichpunkten und Halbsätzen. Auszüge aus seiner Rede im Deutschen Bundestag anlässlich der Regierungserklärung vom 27. Juni 1997 verdeutlichen das. Aus fachlicher Sicht ist ein solches Manuskript für eine Parlamentsrede das einzig richtige: ermöglicht es doch die tatsächlich freie Rede und situatives Reagieren auf Fragen und Zwischenrufe – was einer echten Debatte erst die Würze gibt. Andererseits erfordern Stichpunktmanuskripte große Standpunkt- und Selbstsicherheit. Und diese hatte Joschka Fischer mehr als viele, viele andere. Deshalb ist auch er – einer unserer Helden der Rhetorik.
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