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Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken

Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken

Rhetorik und Ethik, Berliner Mauer
Rhetorik und Ethik

Dampfplauderer verstecken ihre fehlende Meinung gern hinter Phrasen? Das ist nur die halbe Wahrheit. Gerade Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken tragen viel dazu bei, dass politische Debatten und Meetings oft nur Gähnen provozieren … 

 

 

Falsche Versprechen

Für Interessierte ohne Vorkenntnisse fügen sich die Heilsversprechen der Rhetorik-Branchengurus und die Werbetexte vieler Anbieter von Rhetorik-Seminaren zu einem bestimmten Bild zusammen: Die richtige Rhetorik – ein wenig Übung genügt – führt jeden zu Erfolg und Reichtum. Weil man schon nach ein paar Stunden Rhetorik-Training Menschen mit Eloquenz verzaubert, mit den richtigen Techniken manipuliert, schlagfertig überzeugt und mit schauspielerischen Leistungen glänzt. Kurz: Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken machen selbst aus einer Kartäusernonne ein Plaudertäschchen. Jeder kann, wenn er will. Er muss nur eine Portion aufgewärmten Rhetorikbrei mit Kommunikationssauce schlucken und mit Motivationsfusel nachspülen. Schon wird aus Frau Müller in der Buchhaltung die Femme fatal auf dem Karrieresprungbrett. Schon wird aus dem Germanisten im dritten Praktikum der politische Beobachter.

Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken

Kein Wunder, dass im Büro der Deutschen Rednerschule häufig Anrufe mit übersteigerten Erwartungshaltungen eingehen. Schlagfertigkeitstechniken stehen besonders hoch im Kurs: „Ich muss oft Arbeitsergebnisse präsentieren – und ich würde gern souveräner Kritik abwehren“, heißt es. Oder: „Ich bin an Techniken interessiert, mit denen ich meine Kollegen schnell überzeugen kann.“ Immer wieder nehmen wir unterschwellig während solcher Anrufe wahr: Der Mensch am anderen Ende der Leitung sucht mithilfe von Rhetorik-Seminaren und Schlagfertigkeitstechniken eine Rolle auszufüllen, an der er selber (ver-)zweifelt. Immer wieder schwingt die Hoffnung mit, ein paar Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken könnten einen Haufen persönlicher Probleme lösen: Karrierefragen, Imagedefizite, Redeangst. Falsch aber wäre Häme als Antwort.

Die Ursachen für solche Erwartungshaltungen liegen nicht nur in bereits erwähnten Heilsversprechen. Sondern vielfach in sonderbaren Unternehmenskulturen. In jeder zweiten Stellenanzeige beispielsweise sind paradoxe Phrasen wie „Wir suchen durchsetzungsstarke Teamplayer“ zu finden. Ist der Wunsch nach schneller Hilfe da nicht nachvollziehbar? Seltsame Personalanforderungen in Kombination mit realsatirischen Unternehmenskulturen ziehen automatisch die Suche nach der rhetorischen Weltformel nach sich. Was ist mit dem dringend gesuchten Spezialisten, der über den eigenen Tellerrand blicken kann? Und der im Arbeitsalltag mit seinen Ideen schnell zurück in die lauwarme Suppe gezogen wird? Wie oft entpuppen sich neue Wege als lediglich frisch gestrichene Hamsterräder? Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken – im Grunde wird häufig hier etwas gesucht, das die Widersprüche moderner Bürowelten auflösen soll.

Geißel Schlagfertigkeitstechniken?

Rhetorik-Seminare und Schlagfertigkeitstechniken
Abb.: Schlagfertigkeitstechniken – rhetorisches Judo anstatt Boxen.

Und so breiten sich Schlagfertigkeitstechniken aus wie Tamagotchis in den Neunzigern: in Konferenzräumen ebenso wie in deutschen Parlamenten. Und Polittalkshows, in denen es schon lange nicht mehr um das Fragen und Zuhören geht. Sondern um blendende Formulierungen und rhetorische Ränkespiele. Gerade Spitzenpolitiker haben offenbar mithilfe von Rhetorik-Seminaren herausgefunden: Gegenwind und Shitstorms sind durch nichtssagende Schlagfertigkeitstechniken – geschickt in Interviews eingesetzt – vermeidbar. Doch wird dabei übersehen: Phrasen wie „Die Frage stellt sich nicht“, „Ich würde es anders formulieren“, „Das Thema möchte ich zunächst zurückstellen“ untergraben die ehrliche Debatte. Genauso wie das Beantworten von Fragen mit Informationen, nach denen nicht gefragt wurde. Genauso wie das beliebte Ausweichen mithilfe von Konjunktiven oder vermeintlich humorvollen Antworten, die mit der Sache nichts zu tun haben. Aber auch im politischen Kontext muss gefragt werden: Sind die Redner allein schuld an der kommunikativen Misere? Oder auch Medien, die jegliche politische Diskussion als Krise, Krach, Konflikt oder Untergang des Abendlandes interpretieren? Sind Schlagfertigkeitstechniken also tatsächlich eine Geißel der Menschheit?

Oder Schlagfertigkeitstechniken als rettender Anker?

Mit Blick auf die Permanenthysterie der Medien und Sozialen Netzwerke erscheinen Schlagfertigkeitstechniken auch als Rettungsanker. Letztlich kann es auf jeder Pressekonferenz, in jedem Interview – und in jedem Meeting zu brenzligen Situationen kommen. Zu vielleicht auch persönlichen und unfairen Angriffen, auf die man „schlagfertig“ reagieren muss. Entsprechende Techniken sind da tatsächlich hilfreich. Bedenklich aber wird es, werden derlei Techniken zum zentralen Inhalt von Rhetorik-Seminaren erhoben. Demokratiegefährdend gar, mutieren Schlagfertigkeitstechniken zu alltäglichen Kommunikationsmustern in Meetings, Interviews und Talkshows, damit möglichst keine Reibung entsteht.

Eigentlich stellen Schlagfertigkeitstechniken die Ultima Ratio dar: Sie sind das letzte Mittel – für Redner, die sich in die Enge gedrängt fühlen. Oder denen tatsächlich unfaire, suggestive Fragen gestellt werden. Zudem sollten Schlagfertigkeitstechniken niemals zu jenem Alphatierspielchen verkommen, das so häufig zu beobachten ist – und zu dem leider viele Rhetorik-Tipps im Internet einladen. Denn fachlich gesehen verfolgen Schlagfertigkeitstechniken weder das Ziel, besonders humorvoll zu sein – noch den Gesprächspartner ins Abseits zu stellen. Letztlich stellen sie idealerweise Möglichkeiten dar, ein Gespräch oder eine Verhandlung, unabhängig von deren Kompliziertheit, im Fluss zu halten. Und das auf einer anderen Stilebene als auf der des vermeintlichen Aggressors. Wer sich nämlich auf dieselbe Ebene des Provokateurs begibt, offenbart eher Be- und Getroffenheit als Standhaftigkeit.

Abschließend gilt: Wer eine eigene Meinung hat, sie ehrlich und glaubwürdig vertritt (und nicht auf Biegen und Brechen durchdrücken will) – der trifft im Normalfall auf wohlwollende Gesprächspartner. Das wiederum macht Schlagfertigkeitstechniken überflüssig …

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