Rhetorik und Lampenfieber
Die einfachste aller Weisheiten, geht es um Rhetorik und Lampenfieber, ist gleichzeitig die dümmste: Ordentlich etwas hinterkippen, der Rest wird sich finden. Geistige Höhenflüge, angetrieben durch die Hitze des Feuerwassers, enden oft an der letzten Stufe zum Redepult: Je lockerer die Zunge – umso lockerer der Stand. Und genau den gilt es nicht zu verlieren. Viel ratsamer ist es, sich vor Augen zu halten: Niemand ist völlig frei von Lampenfieber.
Wir alle kennen in Lampenfieber und Stress getränkte Auftritte. Auf wie vielen Veranstaltungen, Empfängen, Geburtstagsfeierlichkeiten sind uns schon von Lampenfieber geschüttelte Redner begegnet? Überall wird vibriert, gestottert oder werden Stressflecken zur Schau gestellt – Hautbildveränderungen, denen nicht selten eine Poesie und Ausdruckskraft eines Jackson Pollock innewohnen. Wirklich niemand kann sich von diesem Elend so richtig befreien. Wie gern würden wir eigene Auftritte vergessen, ausradieren, aus den Geschichtsbüchern tilgen. Aber: Hinterlassen wir tatsächlich einen so armseligen Eindruck, wie wir glauben? Wirken aufgrund von gewissen Ticks Redner nicht eher sogar sympathisch? Weil spürbar ist, hinter dem Mikrofon steht ein normaler Mensch?
Rhetorik und Lampenfieber gehören zusammen – ob wir wollen oder nicht
Versuchen Sie auf den Veranstaltungen, zu denen Sie eingeladen sind, möglichst vorn zu sitzen, um Rednern direkt ins Gesicht und hinter das Redepult blicken zu können. Sie werden entdecken, Rhetorik und Lampenfieber gehören zusammen wie Berlintouristen und Windjacken: Selbst bekannte Politiker und große Künstler sind nicht so abgebrüht, wie man glaubt. Auch sie vibrieren. Haben eine gewisse Panik in den Augen. Suchen für Sekundenbruchteile verzweifelt das nächste Stichwort im Manuskript. Vor großem Publikum zu reden, ist selbst für Politik und Prominenz eine mentale Ausnahmesituation. Lampenfieber ist normal: Jeder hat es, keiner mag es – und alle sind auf der Suche nach dem ultimativen Gegenmittel. Leider erfährt man zu diesem Thema nur wenig Sinnvolles. Dafür umso dubiosere Tipps von tüchtigen Geschäftemachern:
- Hypnose: Mag sein, dass an Hypnose etwas dran ist. Aber eine Frage sei gestattet: Wenn Hypnose tatsächlich ein Wundermittel ist – warum gibt es dann das Phänomen Lampenfieber überhaupt noch?
- Positives Denken: Liebe das, was du machst. Genieße den Auftritt und glaube selbst an die Dinge, die du dem Publikum erzählst. Und stelle dir vor allem den Applaus und deinen persönlichen Erfolg vor und nicht das Scheitern. Das sind in etwa die küchenpsychologischen Tipps von Rhetorikgurus und Motivationsbauernfängern. Abgesehen davon, dass Methoden des Positiven Denkens zutiefst unwissenschaftlich sind: Solche Anleitungen schießen gerade dann ins Kraut, benötigt man am dringendsten Rat: für Situationen, in denen Dinge kommuniziert werden müssen, von denen man selbst nicht einhundertprozentig überzeugt ist. Oder man eine Rolle übernehmen muss, die einem nicht liegt.
- Botox gegen Lampenfieber-Achselschweiß: Neigen Sie zum Transpirieren auf der Bühne? Dann ab zum Schönheitschirurgen – im Web finden Sie auch solche Angebote.
Sich mit Lampenfieber arrangieren
Lassen Sie uns offen sein: Ein Allheilmittel muss noch erfunden werden. Im Web findet man unzählige Tipps und Tricks. Doch ist kein Ratschlag der Weisheit letzter Schluss. Unter dem Strich bedeutet das: Man muss sich wohl oder übel mit Lampenfieber arrangieren, weil Rhetorik und Lampenfieber ganz einfach zusammengehören. Der Unterschied zwischen ungeübten Rednern und Rhetorikprofis – Moderatoren, Journalisten, Pressesprecher – besteht darin, wie sie Lampenfieber wahrnehmen. Menschen, die zum ersten Mal oder sehr selten etwas vortragen, empfinden Lampenfieber als einschüchternd. Profis hingegen als Notwendigkeit, um auf dem Podium oder der Bühne eine gute Leistung erbringen zu können. Fehlendes Lampenfieber sehen sie als sich einschleichende – für die Wirkung im Rampenlicht gefährliche – Routine an. Diese Erkenntnis mag nicht ganz taufrisch sein. Jedoch zeigt sie: Beim Thema Lampenfieber helfen weder Vertuschen, Verdrängen oder Wunderheiler. Sondern nur eine gewisse Routine im Umgang damit.
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