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Ironie als rhetorisches Stilmittel, Teil III

Ironie als rhetorisches Stilmittel, Teil III

Rhetorik, Grundlagen
Rhetorik-Grundlagen

Die Ironie als rhetorisches Stilmittel: beliebt, aber auch wirksam? Die Deutsche Rednerschule beleuchtet in diesem Aufsatz die Wesensmerkmale der Ironie. Und setzt sich mit der Frage auseinander, in welchen Kommunikationssituationen der Einsatz von Ironie sinnvoll erscheint. Lesen Sie hier den 3. Teil der Abhandlung …

7 Grenzen der Ironie als rhetorisches Stilmittel

Richten wir weiter den Blick auf die Frage, wann Ironie als rhetorisches Stilmittel ihre Kraft nicht entfalten kann. Die Grundfunktion ironischer Äußerungen bestehe im Verweis auf ein negativ bewertetes Wissen oder auf eine negative Bewertung selbst, stellt Hartung fest. (vgl. Hartung, 2002, S. 162) Dabei ist ihm zufolge „bei negativen Bewertungen die ironische Äußerung an der Oberfläche immer positiv.“ (Hartung, 2002, S. 162) Allerdings bewertet Ironie eben unter der Oberfläche immer etwas negativ. Was die Schwierigkeit nach sich zieht, mit Ironie Lob auszudrücken:

„Die ironische Ausdrucksweise bietet für negative Bewertungen enorme, auf keine andere Weise erreichbare kommunikative und soziale Vorteile, während sie für positive Bewertungen Nachteile bringt, denn Indirektheit schwächt die positive Wirkung eines Lobes eher ab.“ (Hartung, 2002, S. 166)

An ihre Grenzen kommunikativer Leistungsfähigkeit stößt Ironie als rhetorisches Stilmittel auch innerhalb sachorientierter Diskurse. Dass Ironie keine neuen Sachinhalte vermittelt, davon ist Schubart überzeugt. Sie schreibt, Ironie vermittle diskursiv nichts Neues, „weil ja auf gemeinsame Präsuppositionen¹ Bezug genommen wird.“ (Schubart, 2001, S. 300) Man könnte auch sagen: Eine Rede, die zentral auf Ironie basiert, führt nicht zu neuen Erkenntnissen – weil sie quasi reinweg auf einem Wissens-Status-quo aufbaut. Zwar regt sie wissende Sympathisanten an, über einen wünschenswerten Zustand nachzudenken – was der Ironie einen gewissen logoshaften Charakter verleiht. (vgl. Riemer, 2017, S. 73) Doch werden wissende Opponenten durch den Charakter der Ironie, der durch die Abwesenheit neuer Informationen gekennzeichnet ist, kaum ihre Meinung verändern. Ironie kann somit in dieser Gruppe nicht motivierend wirken, sich mit der Sachebene einer Diskussion auseinanderzusetzen. Fühlen sich wissende Opponenten sogar durch ironische Ausführungen in ihrer eigenen Meinung gekränkt, wird – davon ist auszugehen – Ironie gar zu einem Persuasionsbumerang: Anstatt Impuls für einen Meinungsaustausch zu sein, mutiert Ironie möglicherweise zum Verstärker des Gruppenzusammenhalts unter den wissenden Opponenten. Folgerichtig ist Ironie gegenüber dieser Gruppe lediglich als Form der Aufmerksamkeitsweckung einsetzbar: entweder über ihre erheiternde Wirkung oder als Mittel der Reaktanzerzeugung/ Polarisierung. Fazit: Ironie kann zwar Aufmerksamkeit durch Heiterkeit oder Reaktanzen generieren. Sie kann den Zusammenhalt einer Gruppe fördern. Nicht aber für das sachliche Fortschreiten einer Diskussion sorgen. Hier müssten weiterführende Argumente angebracht werden, damit der Redner von wissenden Opponenten nicht als dogmatisch wahrgenommen wird.

8 Abgrenzung zum Sarkasmus und Wechsel zur Selbstironie

Knüpfen wir an der beschriebenen Problematik an, dass Ironie kränkend wirken kann: Wird nämlich Ironie zu bitterem, höhnischem Spott mit drastischer Ausdrucksweise, so verwandelt sie sich in Sarkasmus. Dieser wurde bereits im antiken Griechenland von der Ironie getrennt durch den Begriff σαρκασμός, der die Zerfleischung meint. (vgl. Riemer, 2017, S. 87) Wird Ironie also übertrieben, kann sie verletzend wirken – ungeachtet der Tatsache, dass das Grundprinzip der Ironie bestehen bleibt: Man meint das Gegenteil des Gesagten – nun aber mit bissigem, verletzendem Unterton. (vgl. Franken, 2011, S. 346) Als Beispiel ein bissiger Kommentar des Journalisten Matthias Matussek: „Ein Schritt in die richtige Richtung: eine Schießerei direkt in der Klinik. Das erspart die Anfahrtswege.“ (Franken, 2011, S. 347) Ironie sollte das Prinzip der Angemessenheit nicht aus den Augen verlieren. Was durch Harald Schmidt gestützt wird: „Das ist für mich eine Frage der Gehaltsklasse. Für mich kommen als Opfer nur Prominente in Frage, hoch bezahlte, eitle Menschen.“ (Schmidt, Spiegel, 2000, S. 114) Um das Verletzende der Ironie, um vielleicht Sarkasmus zu verhindern, ist es angebracht, in die Selbstironie zu wechseln. Als Beispiel ist ein Ausspruch von Mark Twain dienlich, der 40 Zigarren täglich paffte: „Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft.“ (Franken, 2011, S. 345) Sich selbst zu kritisieren ist hier sachdienlicher, als alle Raucher pauschal abwertend zu verurteilen, die es nicht schaffen, mit dem Rauchen aufzuhören. Ein weiteres Beispiel der Selbstironie ist die #weilwirdichlieben-Kampagne der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Ein Post auf Facebook (Berliner Morgenpost, 2017) sieht folgendermaßen aus (rechts ein Foto von einem Fenster einer Berliner U-Bahn als Auflösung – beide Fotos durch Anklicken vergrößerbar):

 

Ironie als rhetorisches Stilmittel – Beispiel BVG
Abb.: Post der BVG.
Ironie als rhetorisches Stilmittel – BVG-Beispiel
Abb.: Foto des nebenstehend gemeinten Fensteraufklebers.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die BVG versucht derzeit durch Kommunikationsmaßnahmen dieser Art, ihr Image zu verbessern: indem sie eigene Schwächen selbstironisch aufbereitet – anstatt Kritiker zu belächeln oder sich für eigene Verfehlungen zu rechtfertigen.

9 Ironie in schriftlicher Form

Schriftlich gebraucht, stößt Ironie auf weitere Grenzen: So muss sie sehr eindeutig verfasst werden, da Ironiesignale wie Mimik, Gestik oder der Gebrauch der Stimme komplett entfallen. Ueding weist darauf hin, dass auch geschriebene Texte Ironiesignale enthalten müssen: „entweder durch den Kontext, der die Verkehrung des Sinngehalts verdeutlicht, durch Übertreibung oder andere unerwartete stilistische Überformung“ (Ueding, 2011, S. 318) Somit kann Ironie auch in Zeitungsartikeln oder Briefen funktionieren, wenn die oben genannten Anforderungen erfüllt werden.

10 Nicht-Verstehen aufgrund kultureller Unterschiede

Schlussendlich kann es natürlich passieren, dass Ironie als rhetorisches Stilmittel nicht verstanden wird, weil Adressaten aus einem anderen Kulturkreis als der Redner stammen. Allerdings stellt sich die Frage, ob solche Adressaten überhaupt Wissende (ganz gleich ob Sympathisanten oder Opponenten) im Sinne der oben gemachten Ausführungen sein können. Aufgrund eines weiteren Phänomens wäre ein Blick über den deutschsprachigen Raum hinaus ratsam: Gerade im angelsächsischen Kulturraum wird anscheinend häufiger als in Deutschland Ironie angewendet – und auf eine besonders feine Art gepflegt. Dies mag ein Klischee sein – allerdings eines, dass von englischen oder amerikanischen Referenten im Rahmen von Konferenzen und Podiumsdiskussionen mit ihrer Art des Redens sehr häufig bestätigt wird. Wird Ironie also in anderen Ländern mehr wertgeschätzt? Auch von wissenden Opponenten? Das Beantworten dieser Fragen sprengte den hier möglichen Rahmen. Konzentrieren wir uns also  abschließend und zusammenfassend darauf, wann der Einsatz von Ironie als rhetorisches Stilmittel im deutschsprachigen Raum als sinnfällig und wann als nicht ratsam erscheint …

11 Zusammenfassung

Ironie als Gegenteil des Gemeinten baut auf gemeinsamem Wissen zwischen Hörer und Sprecher auf, reduziert, bewertet und lässt sich klar von der Lüge unterscheiden. Der Einsatz von Ironie ist wie folgt ratsam/nicht ratsam …

Ironie als rhetorisches Stilmittel ratsam

  • Betonung von Gruppenzugehörigkeiten/Zusammengehörigkeitsgefühl
  • als Paukenschlag zur Aufmerksamkeitsweckung/Polarisierung am Redeanfang
  • um Kritik zu äußern
  • um Konfliktpotentiale zu reduzieren
  • im Sinne von Prägnanz und Kürze
  • als Rückversicherung für den Redner

Ironie als rhetorisches Stilmittel nicht ratsam

  • bei stark sachorientierter Diskussion
  • Persuasion/Überzeugung von wissenden Opponenten
  • Aussprechen von Lob

Laut Gutenberg beinhaltet das Rhetorisch-Sein von Kommunikation eine téchne und eine Intentionalität, denn:

„Rhetorik war von Anbeginn eine „téchne“ oder „ars“: das ist weder eine (instrumentalistisch zu begreifende) „Technik“, noch eine (genie-ästhetisch zu begreifende) „Kunst“, sondern eine theoriegeleitete Methodik aufgrund einer didaktisch orientierten Theorie. Intentionale Sprechhandlungen, die durch Anwendung einer methodisch erlernten „téchne“ zustandekommen, heißen darum „rhetorische Kommunikation“.“ (Gutenberg, 2001, S. 146)

Darauf aufbauend lässt sich festhalten, dass Ironie in sich rhetorisch ist, weil sie sich durch Intentionalität und téchne des Sprechers auszeichnet. Ironie ist ohne diese Zutaten undenkbar und wird mit ihnen selbst zum rhetorischen Würzmittel. Wie sagte Johann Wolfgang von Goethe? „Ironie ist das Körnchen Salz, das das Aufgetischte überhaupt erst genießbar macht.“

 

1) Präsupposition: „Die Anforderungen, die der Kontext erfüllen muss, damit die Äußerung überhaupt sinnvoll gemacht werden kann.“ (Pinkal, 2007, S.8)

 

Quellenverzeichnis

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Hochmittelalter. Interaktionen und Imaginationen. Würzburg: Ergon-Verlag GmbH
Franken, A., Franken, F. (2011): Handbuch Redenschreiben (1. Aufl.). Berlin: Helios Media GmbH
Gutenberg, N. (2001): Einführung in Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH, Europäischer Verlag der Wissenschaften.
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Holtbernd, T. (2016): Deutschlandfunk Kultur (28. 09. 2016): Humor in der Politik. Ironie macht Politiker menschlich. Verfügbar unter http://www.deutschlandfunkkultur.de/humor-in-der-politik-ironie-macht-politiker-menschlich.1008.de.html?dram:article_id=367058 (zuletzt abgerufen am 16. 12. 2017)
Kalle, M. (2016): Die Lage ist ernst. Zeit, Nr. 32/2016, 11. 08. 2016. Verfügbar unter http://www.zeit.de/2016/32/ironie-hilfsmittel-realitaet -selbststaendiges-denken (zuletzt abgerufen am 16. 12. 2017)
Kotthoff, H. (2017): Humor und Geschlechterverhältnisse. In U. Wirth (Hrsg.), Komik. Ein interdisziplinäres Handbuch. (S. 147-159). Stuttgart: Springer-Verlag GmbH Deutschland
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