Rhetorik-Seminare – ein Überblick, Teil 2
Schauen wir uns Rhetorik-Seminare etwas genauer an: Wie sollten sie aufgebaut sein, damit Teilnehmer den größtmöglichen Nutzen mit nach Hause nehmen können?
Rhetorik-Seminare mit Performanz-Schwerpunkt
Der wichtigste Grundsatz persuasiver Kommunikation und damit für Rhetorik-Seminare ist die Kongruenz aller konzeptionellen Schritte und die Kongruenz aller eingesetzten Mittel. Die Vermittlung dieser Erkenntnis und vor allem ihr gezielter Transfer in die Praxis – auf unterschiedliche Kommunikationssituationen – ist seriösen Rhetorik-Seminaren wichtiger als checklistenartiges Abarbeiten möglichst vieler Techniken und Stilmittel. Qualität sollte immer vor Quantität gehen.
Je konsequenter Rede und Auftritt erscheinen, je deutlicher ein Roter Faden im Aufbau der Rede erkennbar ist, umso eher wird der Inhalt verstanden. Und umso eher besteht die Chance auf eine überzeugende Wirkung der Rede auf das Publikum. Der Redner selbst muss wiederum mit Mimik, Gestik und Stimme seine Aussagen unterstreichen, um glaubwürdig zu erscheinen. Ob der Redner diesen Grundsatz während des Vortragens beherzigt, wird in einem Rhetorik-Seminar mit Performanz-Schwerpunkt mithilfe einer Videoanalyse genau unter die Lupe genommen. Der Seminarleiter/die Seminarleiterin gibt ein ausführliches Feedback zu den wichtigsten Performanz-Kriterien; er/sie erörtert mit den Rhetorik-Seminarteilnehmern Stärken und Potenziale, um in weiteren praktischen Übungen gezielt auf sie einzugehen. Schritt für Schritt arbeiten die Teilnehmer eines Rhetorik-Seminars zunächst an der Mimik und Gestik. Um sich dann stimmlichen und sprachlichen Aspekten zuzuwenden. Gerade in Rhetorik-Seminaren, die sich mit Performanzthemen beschäftigen, wird der praktische Teil vorrangig behandelt. Grau ist alle Theorie – Rhetorik wird jedem erst durch praktische Erfahrungen begreifbar. Nur so können rhetorisch Unerfahrene eine gewisse Routine in ihrer Rolle als Rhetor erlangen.
Rhetorik-Seminare mit kognitiv-semiotischem Schwerpunkt
In Rhetorik-Seminaren, die sich schwerpunktmäßig mit dem kognitiv-semiotischen Teilbereich beschäftigen, legen die Seminarteilnehmer konzeptionelle und kreative Grundlagen für ihren perfekten Auftritt im Rampenlicht. Die Voraussetzung eines solchen ergibt sich aus der Einheit der Definition kommunikativer Ziele, der Strategie und aus ihr abgeleiteten Maßnahmen. Die stimmige Mischung aus Abstraktion und Konkretisierung richtet sich danach, ob der Redner eher belehren, unterhalten oder bewegen will. Daran wiederum richten sich Zusammenhänge, Strukturen, Stilmittel aus, um die beabsichtigten Effekte beim Publikum tatsächlich zu erzeugen. Um Kommunikationswirkungen zu verstehen, bedarf es eines Basiswissens im Bereich der Kommunikationspsychologie. Nur so ist ein Redenschreiber in der Lage, kognitive, affektive, aktionale oder motivationale Ziele zu definieren, anhand derer er eine Redekonzeption durchdeklinieren und auf ein Zielpublikum ausrichten kann. Gerade auf dieser Ebene trennt sich bezüglich des Rhetorik-Seminarangebots oft die Spreu vom Weizen: Geht es vielen Anbietern in erster Linie um die möglichst kreative Umsetzung – geht es seriösen Anbietern von Rhetorik-Seminaren um das handwerklich saubere ausarbeiten des konzeptionellen Vorgehens. Erst wenn Kommunikationsziele, Strategien und daraus abgeleitete Maßnahmen sauber definiert sind, kann aus der kreativen Umsetzung eines Sprech-wirk-Texts ein perfekt auf den Redner zugeschnittenes Manuskript hervorgehen.
Die große Kunst des Konzipierens und Schreibens einer Rede ist das geschickte Reduzieren von Zahlen, Daten, Fakten, Argumenten: Eine Rede hegt niemals den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist kein Handout, kein Buch, keine Dissertation. Die zentrale Aufgabe des Redenschreibers besteht in der Definition von Redehighlights und darin, aus der Fülle an Ausgangsinformationen das Wichtigste herauszufiltern, um es wirkungsvoll in Szene zu setzen. Und zwar unter Berücksichtigung der Eigenheiten des gesprochenen Wortes – das sich vom Schriftdeutsch teils drastisch unterscheidet. Rhetorik-Seminaren kommt dabei die Aufgabe zu, diese Unterschiede Rednern und Redenschreibern mit auf den Weg zu geben. Denn das Ignorieren dieser Unterschiede ist der Hauptgrund, warum in Meetings, auf Podiumsdiskussionen, auf Messen und Konferenzen die meisten Redner nicht nur Wissenswertes verbreiten. Sondern vor allem Langeweile.
Auf die bei fast allen Rednern und Redenschreibern eingebrannte Fakten- und Schriftsprachenorientierung konzentrieren sich daher fast alle Rhetorik-Seminare: im Idealfall mit vielen praktischen, kreativen Übungen und Beispielreden.
Rhetorik-Seminare – ein Fazit
Kongruenz ist die zentrale Bedingung für den Kommunikationserfolg. Allerdings liegt der nur insoweit im Einflussbereich eines Redenschreibers, als dass er versuchen kann, ihn im Rahmen von Konzeption und Formulierungskunst sicherzustellen. Für die performative Stimmigkeit und den situationsgerechten Auftritt muss der Redner selbst sorgen. Im Sinne der klaren Rollenabgrenzung und Aufgabenverteilung zwischen Redner und Redenschreiber müssen auch Rhetorik-Seminare thematisch klar und deutlich aufeinander aufbauen. Performanz und Konzeption sollten dabei zwar als Einheit gesehen werden. Doch ist willkürliches Vermischen beider Teilbereiche selten hilfreich. Präsentationseminare beispielsweise, die performative Techniken mit konzeptionellen Themen und technisch-grafischen Fragen des Erstellens von Powerpoint-Folien kombinieren, erzeugen letztlich nur eines: Verwirrung. Vor allem dann, wird ein thematischer Parforceritt innerhalb von zwei Tagen oder weniger gewagt. In dieser kurzen Zeit ist es unmöglich, Performanzaspekte, Konzeptionsschritte und beispielsweise wichtige Kriterien des Textens und Formulierens auch nur ansatzweise akkurat aufzuarbeiten.
Das bedeutet im Umkehrschluss auch: Um einen 360-Grad Blick auf Rhetorik als Kunst der Beredsamkeit zu erhalten, bedarf es Zeit und Geduld. Ein Rhetorik-Seminar im Sinne des schnellen Aufbesserns eigener Schlagfertigkeit oder Durchsetzungskraft hat mit Rhetorik so viel zu tun wie Polittalkshows mit echten Diskussionen. Unser Rat: Nehmen Sie sich Zeit. Meiden Sie alle Rhetorik-Seminare, die Ihnen schnellen Erfolg versprechen oder mit der Macht der Manipulation werben. Denn Rhetorik kennt keine Gewinner und Verlierer. Wohl aber den Konsens als Ergebnis eines demokratischen Ideenwettbewerbs.